AfD erzwingt Abbruch von Bundestagssitzung: «Revanche»

Berlin (dpa) - Die AfD hat den Abbruch einer Bundestagssitzung erzwungen. Das Parlament musste seine Beratungen am späten Donnerstagabend beenden, weil das Plenum wegen zu wenig anwesender Abgeordneter nicht beschlussfähig war.

Verlangt hatte die genaue Nachzählung, den sogenannten Hammelsprung, die AfD-Fraktion. Dabei kam gegen 23.20 Uhr heraus, dass nur 312 Abgeordnete da waren - es hätten aber mehr als die Hälfte der 709 Mitglieder, also 355, sein müssen, wie eine Sprecherin des Bundestags sagte.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke), die die Sitzung leitete, musste deswegen nach der Geschäftsordnung des Parlaments die Sitzung sofort abbrechen.

Der Begriff «Hammelsprung» ist laut Bundestag eine Wortschöpfung aus dem 19. Jahrhundert und bezeichnet scherzhaft eine Auszählung, bei der alle Abgeordneten den Plenarsaal verlassen und durch eine jeweils gekennzeichnete Tür wieder betreten. Dabei werden sie gezählt.

Die AfD feierte den Abbruch als politischen Erfolg. Fraktionschef Alexander Gauland teilte dazu mit: «Der aktuelle Hammelsprung ist die Revanche für die Nicht-Wahl von Roman Reusch. So lassen wir uns nicht behandeln! Das ist erst der Anfang.»

Der Bundestag hatte zuvor nachmittags den AfD-Kandidaten Reusch für das Parlamentarische Kontrollgremium durchfallen lassen. Der brandenburgische Abgeordnete, ein früherer Staatsanwalt, bekam statt der notwendigen 355 Stimmen lediglich 210 Stimmen. Das neunköpfige Gremium ist für die Kontrolle der Geheimdienste verantwortlich. Dass die rechtspopulistische Partei nun vorerst außen vor bleibt, sorgt in der AfD für Verärgerung.

13 Prozent der Wähler würden damit ausgegrenzt, hatte Gauland beklagt. Er kündigte an, Reusch erneut ins Rennen zu schicken: «Wenn man Krieg haben will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg kriegen.» Reusch selber sprach von «Kindergartenspielchen». Und Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Braun sagte: «Wir könnten wohl auch Mutter Teresa oder den Dalai Lama aufstellen und er würde nicht gewählt.»

Zum Hammelsprung schrieb der nordrhein-westfälische AfD-Abgeordnete Uwe Kamann nachts auf Twitter: «Zum Schluss in der heutigen Plenarsitzung, nach den unsäglichen Lügen bei den Reden der etablierten Parteien und ihren undemokratischen Verhalten bei der Nichtwahl von Roman Reusch, haben diese Altparteien eine Lektion in Sachen Demokratie bekommen.»

Der SPD-Abgeordnete Michael Roth kritisierte das Vorgehen der AfD. Auf Twitter schrieb der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt: «Die AfD hat inhaltlich nix zu melden, kennt aber die Tricks der Geschäftsordnung. Was für Helden :-(.» Die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner bilanzierte: «Absurdes Theater, zumal auch die Reihen der #AfD nicht geschlossen waren.»

FDP-Chef Christian Lindner lobte, dass aus seiner Fraktion abends 59 von 80 Abgeordneten da waren. «Apropos: Wo war denn die Fraktionsvorsitzende der #AfD nur?», fragte er auf Twitter - und meinte damit Alice Weidel.

Unmut gibt es bei der AfD auch, weil ihr Kandidat für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten, Albrecht Glaser, vorerst keine weitere Gelegenheit bekommt, sich zur Wahl zu stellen. Dies hatte der Ältestenrat des Parlaments am Donnerstag vereinbart. Bis auf AfD und Linke waren sich darüber die anderen Fraktionen einig. Glaser hatte im Plenum bei drei Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen erhalten.

Bundestag / Deutschland
19.01.2018 · 18:02 Uhr
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