144 Theologen fordern Ende des Zölibats

Berlin (dpa) - In der katholischen Kirche gärt es. Der Missbrauchsskandal, von vielen als knöchern empfundene Strukturen, Priester in «XXL-Pfarreien»: Der Reformdruck wächst. Jetzt melden sich mit einem Forderungskatalog so viele Theologen zu Wort wie selten zuvor.

Auch mit Blick auf den Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. im September fordern in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung 144 katholische Theologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz tiefgreifende Umwälzungen wie die Abschaffung des Zölibats für Priester. Sie treten vor dem Hintergrund akuten Priestermangels zudem dafür ein, auch Frauen für das Amt zuzulassen.

Die Theologen wollen auch mehr Mitsprache des Kirchenvolks etwa bei der Ernennung neuer Pfarrer oder Bischöfe. Zu ihren Forderungen gehören auch der Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, eine Intensivierung der Gemeindearbeit und neue Ansätze bei der Gestaltung von Gottesdiensten. Und: Die «kirchliche Hochschätzung» der Ehe und der ehelosen Lebensform stehe außer Frage, gleichwohl dürften Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Geschiedene, die wieder verheiratet sind, nicht ausgeschlossen werden.

Einen derartig breit gefassten Reformaufruf hat es in der katholischen Kirche seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht gegeben. 1989 hatten etwa 220 Theologieprofessoren in einer «Kölner Erklärung« gegen Zentralismus und Entmündigung in der damals von Papst Johannes Paul II. geführten katholischen Kirche protestiert. Vor einigen Wochen hatten CDU-Politiker, darunter Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesbildungsministerin Annette Schavan, in einem Brief an die deutschen Bischöfe ein Abrücken vom Zölibat gefordert.

Die katholische Laienbewegung «Wir sind Kirche» appellierte an die Bischöfe, die Reformrufe endlich aufzugreifen. «Es muss Schluss sein mit der Basta-Theologie», sagte Christian Weisner vom Bundesteam von «Wir sind Kirche» der Nachrichtenagentur dpa. Gerade der Deutschland-Besuch des Papstes müsse dazu genutzt werden, auch kritische Fragen offen anzusprechen. «Der Besuch darf nicht dazu führen, dass jeder Dialog und jede Erneuerungsbewegung abgewürgt wird.» Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken begrüßte den Aufruf als einen «Impuls zu dem in Gang kommenden Dialogprozess». Die Deutsche Katholische Jugend betonte: «Kirche braucht Veränderung.»

Die Deutsche Bischofskonferenz wertete die Reformerklärung als Beitrag zum Dialog über die Zukunft von Glauben und Kirche in Deutschland, zu dem die Bischöfe eingeladen hätten. Das Memorandum trage im Wesentlichen häufig diskutierte Ideen nochmals zusammen. «Insofern ist es nicht mehr als ein erster Schritt», hieß es in einer Erklärung des Sekretärs der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer. Bei einer Reihe von Fragen stehe die Erklärung allerdings «in Spannung zu theologischen Überzeugungen und kirchlichen Festlegungen von hoher Verbindlichkeit».

Laut «Süddeutscher Zeitung» unterschrieb rund jeder dritte katholische Theologieprofessor die Erklärung. «2011 muss ein Jahr des Aufbruchs für die Kirche werden», heißt es darin. «Die tiefe Krise unsere Kirche fordert, auch jene Probleme anzusprechen, die auf den ersten Blick nicht unmittelbar mit dem Missbrauchsskandal und seiner jahrzehntelangen Vertuschung zu tun haben.»

2010 hätten so viele Christen wie nie zuvor der Institution Kirche den Rücken gekehrt. «Die Kirche muss diese Zeichen verstehen und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen, um neue Lebenskraft und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.» Mit Blick auf die Missbrauchsdebatte heißt es weiter: «Dem Sturm des letzten Jahres darf keine Ruhe folgen. In der gegenwärtigen Lage könnte das nur Grabesruhe sein.»

Einer der Unterzeichner der Erklärung, der Mainzer Theologe Gerhard Kruip, betonte die Notwendigkeit einer größeren Gewissensfreiheit in moralischen Fragen. «Wenn homosexuelle Partner in Verantwortung und Liebe miteinander leben, dann gibt es keinen vernünftigen moralischen Grund, das als Sünde zu bezeichnen und diese Menschen auszugrenzen», sagte er der dpa. Ein weiterer Unterzeichner, der Ludwigshafener Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, sagte im SWR2: «Es muss so was wie eine revolutionäre Bewegung in der Kirche stattfinden. Das Volk Gottes muss sich die Kirche wieder aneignen.»

Der Zwang zur Ehelosigkeit gilt als ein Grund für den Priestermangel in Deutschland. 1960 waren nach jüngsten Angaben noch knapp 15 500 Geistliche in der Pfarrseelsorge tätig, derzeit sind es noch rund 8500. Folge sind «XXL-Pfarreien», in denen Priester für zahlreiche Gemeinden zuständig sind. Bundestagspräsident Lammert hatte kürzlich beklagt, gerade noch 150 Männer hätten im Vorjahr katholische Priester werden wollen.

Kirchen
04.02.2011 · 15:36 Uhr
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